Gerade wenn es wieder warm wird, steigt die Lust, mehr Haut zu zeigen. Und damit vor allem bei jungen Leuten die Lust auf Körperschmuck, auf neudeutsch „Piercing“. Das Durchstechen insbesondere hochsensibler Körperstellen mit diversen Metallteilen ist in.
Neben dem bekannten „Ohrpiercing“ werden auch Augenbrauen, Nasenflügel, Lippen, Zunge, Bauchnabel, Brustwarzen und Intimbereich gepierct. Von dem zwei Millionen gepiercten Deutschen liegt der Frauenanteil bei ca. 70 Prozent.
Im Alter von 29 Jahren ließ sich Julia D. einen Nasenflügel piercen. Spezialnadel, Spraydose und ein Handgriff – nach nur fünf Minuten steckte der Metallnagel bereits fest. Der Horror begann zwei Tage später, ihre Nase schwoll hochrot an und es schmerzte fürchterlich. Diese Plage hielt die Frischgepiercte mit dicker Nase eine Woche durch, weil sich dann das Problem über Nacht von selbst löste. Der im entzündeten Gewebe entstandene Druck wurde so groß, dass es die Verzierung regelrecht herausgesprengt hat. Noch zwei Jahre danach ist die Narbe deutlich zu sehen.
Einige Piercer arbeiten nicht so wie es etwa medizinisches Personal macht, also oft unbekümmert, undokumentiert und in der Regel unkontrolliert.
Wer denkt er mag, der darf es, auch wenn er nicht wirklich kann. Es gibt in Deutschland kein festes Berufsbild und somit auch keine Mindestausbildung oder Mindestqualifikation.
Das sieht die in der Regel jugendliche Kundschaft nicht so eng. Es interessiert sich mehr für „geiles Feeling“ als für peinliche Sauberkeit, Risikoberatung, Aufklärung und Infektionsgefahr.

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Der „Deutschsprachige Arbeitskreis für Krankenhaushygiene“ fordert: „Das Tätowieren und Piercen ist neben anderen gesundheitlichen Risiken insbesondere mit dem Risiko einer Infektion verbunden. Deshalb sind die gleichen hygienischen Anforderungen zu stellen wie bei vergleichbaren, aber medizinisch indizierten Eingriffen.“ Vom Piercer wie vom Tätowierer verlangen die Ärzte „ausreichendes medizinisches Wissen“, intensive Kundenberatung über Risiken und die Gefahr der Übertragung von Viruserkrankungen wie Aids und Hepatitis durch kontaminiertes Gerät, weil nur so das Infektionsrisiko beim Piercing beherrschbar wird.
Die Studios sollten hygienisch dieselben Ansprüche erfüllen wie OP-Ambulanzen: Händedesinfektion, sterile Handschuhe und Kleidung, Mund- und Nasenschutz, OP-Haube.
Die Realität sieht leider ganz anders aus. Denn wer auf die Idee kommt und ein Piercing-Studio betreiben will, muss lediglich ein Gewerbe anmelden. Er wird nur darauf aufmerksam gemacht „die hygienischen Regeln zu beachten“, so Hartmut Stienen, Sprecher der Gesundheitsbehörde Hamburg. Die Bezirke können das überprüfen.
Ein ganz anderes Problem sind die „Schwarzstecher“ in Disco-Toiletten und „fliegende“ Anbieter. Das „Deutsche Ärzteblatt“ schreibt: „Völlig unverständlich und nicht nachvollziehbar bleibt, dass es keinen gesetzlichen Hinderungsgrund gibt, Hepatitis- oder HIV-positive Piercer von ihrem Gewerbe abzuhalten. Zumindest Minderjährige müssen vor solchen Gefahren des Infektionsrisiko beim Piercing geschützt werden.“
Vorsorglich werden beim Zentralinstitut für Transfusionsmedizin-Blutspendedienst Hamburg Frischgepiercte ein Jahr nicht für die Blutspende zugelassen. Das ist ein Sicherheitsabstand für Tests, welche nämlich erst nach Monaten positiv ausfallen können. Die gleichen Vorgaben gelten auch für Tattoos und Akupunkturbehandlungen mit mehrfach verwendbaren Nadeln, so Dr. Michaela Duchscherer, Ärztin am Zentralinstitut.
Sinn dieser Maßnahme: eine Übertragung der ansteckenden Leberentzündung Hepatitis C zu verhüten